In Klartext hat die Redaktion für Ausgabe 03/2025 Experten aus Industrie, Telekommunikation und Wissenschaft zum Thema „5G-Lösungen umsetzen“ befragt – für das Special „Connectivity“. Die fünf Experten-Statements von Kontron, NTT Data, RPTU Kaiserslautern Landau, Vodafone und Weidmüller erscheinen hier nun auch online.
Autarke, sichere 5G-Campus-Netze haben die zukunftsweisende Kommunikationstechnologie für industrielle Anwendungen attraktiv gemacht. Durch Netzwerkslicing, eine Innovation der fünften Generation der Mobilfunktechnologie, kann ein physisches Netzwerk in mehrere virtuelle Netzwerke unterteilt werden, um sie so für bestimmte Anwendungen und Dienste zu optimieren. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von 5G in bestehende Industrieanwendungen. Was ist mit 5G möglich – und welche Hürden sind im Maschinen- und Anlagenbau noch zu überwinden? Auf welche Anwendungen sollten sich KMU konzentrieren?
Zu dem Special Connectivity haben folgende Experten Statements beigetragen:
- Volker Klink, Head of Network Technology, Connectivity & P5G, Connectivity & Communications bei NTT Data DACH
- Dimitri Block, Technologieentwickler bei Weidmüller
- Zoltan Bickel, Bereichsleiter Enterprise Commercial Management Business bei Vodafone
- Urban Zaletel, R&D Manager & Head of Products for 5G Mobile Private Networks bei Kontron
- Prof. Dr.-Ing. Hans D. Schotten, Lehrstuhl Funkkommunikation und Navigation an der RPTU Kaiserslautern Landau
Volker Klink
Head of Network Technology, Connectivity & P5G, Connectivity & Communications bei NTT Data DACH
Auch schwer zugängliche Bereiche von Fabriken können nun vernetzt werden
5G ist wie ein superintelligentes Nervensystem für den Maschinenbau. Mit dem neuesten Mobilfunkstandard können Anlagen hochautomatisiert in Echtzeit – also praktisch ohne Zeitverzögerung – miteinander kommunizieren, was zum einen die Effizienz und Flexibilität von Fertigungsprozessen deutlich steigert und zum anderen Anwendungsfälle insbesondere von mobilen Produkten ermöglicht, die bisher undenkbar waren. Darüber hinaus können mit 5G nun auch schwer zugängliche Bereiche von Fabriken oder Anlagen vernetzt werden, die mit herkömmlichen Netzwerktechnologien nicht erreichbar sind. Angesichts zunehmender Cyber-Risiken kann ein autarkes Campus-Netz die bessere Lösung sein. Durch die Trennung vom öffentlichen Netz und die zusätzlich möglichen Sicherheitstechnologien bietet Private 5G einen extrem hohen Schutz. KMU sollten auf Anwendungen setzen, die ihnen einen echten Mehrwert bieten. Mit einer umfassenden Vernetzung von Maschinen, IoT und Arbeitsabläufen wird ein wichtiger Grundstein gelegt. Wenn Maschinen intelligent miteinander verknüpft sind, liefern integrierte Sensoren nützliche Informationen, um Prozesse mittels KI-gestützter Analysen optimal aufeinander abzustimmen und flexibel an veränderte Bedingungen anzupassen. Predictive Maintenance ist in diesem Zusammenhang ein sinnvoller Use Case. Mögliche Risiken werden erkannt, bevor sie zu größeren Störungen führen. Vorausschauende Wartungskonzepte verhindern zudem kostspielige Ausfälle und senken die Betriebskosten. Mit Augmented und Virtual Reality können Schulungen und Wartungsarbeiten auch aus der Ferne durchgeführt werden. Interessant ist auch die weitgehende Automatisierung mit Robotik, die Geschwindigkeit und Präzision und damit die Produktivität drastisch erhöht. Fakt ist: 5G bringt die Industrie in die Zukunft.
Dimitri Block
Technologieentwickler bei Weidmüller
Großflächige und infrastrukturarme industrielle Umgebungen profitieren von nahezu lückenloser Funkausleuchtung
Funktechnologien steigern die Flexibilität und Mobilität im Maschinen- und Anlagenbau. Durch die exklusive Frequenznutzung in privaten Campusnetzen mit der bewährten 5G-Mobilfunktechnologie wird zudem eine hochzuverlässige, latenzoptimierte Kommunikation mit kompromissloser Datenhoheit ermöglicht. Dank des großen Marktangebots sind die Integrations-, Kosten-, Sicherheits- und Funkaufwände von Industrial 5G überschaubar. 5G erfüllt vielfältige Anforderungen zeitgleich mit nur einer Funktechnologie, von Maschinenüberwachung über drahtlose Sensoranbindung bis hin zu breitbandiger Fernwartung und zeitkritischen Echtzeitanwendungen. Besonders großflächige, infrastrukturarme industrielle Umgebungen profitieren von der nahezu lückenlosen Funkausleuchtung durch den einfachen Aufbau von 5G-Campusnetzen. Die Weidmüller 5G-Lösung kombiniert diese Flexibilität mit dem leistungsfähigen offenen Betriebssystem u-OS für Anwendungen im Industrial IoT und der Automatisierung.
Zoltan Bickel
Bereichsleiter Enterprise Commercial Management Business bei Vodafone
Standardisierung von 5G-basierten Lösungen macht Implementierung immer einfacher
Das Interesse an 5G ist branchenübergreifend groß. Der Markt beginnt aber gerade erst, sich zu entwickeln. Viele Unternehmen testen noch immer Pilotanwendungen und überlegen, wie sie 5G am besten einsetzen. Denn die Umsetzung gerade im Maschinen- und Anlagenbau ist sehr komplex. Die Herausforderungen liegen in langen Beschaffungszyklen, aufwendiger Softwareentwicklung und individuellen Anforderungen. Im Fokus stehen in der Branche vor allem Speziallösungen wie Campusnetze und Network Slicing mit maßgeschneiderten Bandbreiten und extrem niedrigen Latenzen. Hier gibt es mittlerweile viele Fortschritte: Das 5G-Netz entwickelt sich kontinuierlich weiter und das macht es für Unternehmen und Telekommunikationsanbieter einfacher. Das Netz wird zugänglicher, Schnittstellen ermöglichen beispielsweise eine einfachere Verzahnung von Netz und Anwendung, während neue IoT-Standards wie „Red Cap“ eine besonders energieeffiziente 5G-Nutzung versprechen. Dazu kommt die zunehmende Standardisierung von 5G-basierten Lösungen seitens der Telekommunikationsanbieter, sodass die Implementierung für Unternehmen einfacher wird.
Urban Zaletel
R&D Manager & Head of Products for 5G Mobile Private Networks bei Kontron
5G ist der Schlüssel für sichere, flexible und echtzeitfähige Industrieanwendungen
Die Implementierung von Industrial Private 5G in bestehende Systeme bietet Chancen und Herausforderungen, besonders im Maschinen- und Anlagenbau. 5G-Netze haben die Leistung von Festnetzen, aber mit höherer Flexibilität. Eine sichere Architektur und moderne Technologien erleichtern die Integration in bestehende IT-Strukturen, ohne dass tiefgehendes Telekommunikationswissen erforderlich ist. Die robuste und sichere Architektur sorgt für hohe Durchsatzraten, geringe Latenz und zuverlässige Quality of Service (QoS) und ist damit ideal für datenintensive Anwendungen wie Augmented Reality, Virtual Reality oder geschäftskritische Industrieprotokolle. KMU sollten sich auf Anwendungen mit hohen Echtzeitanforderungen wie autonome Transportsysteme, Echtzeitüberwachung oder flexible Produktionszellen konzentrieren. Schlüsselfertige End-to-End-Lösungen erleichtern die Einführung, während sich 5G langfristig als sichere und kostengünstige Alternative zu Wi-Fi etablieren wird.
Prof. Dr.-Ing. Hans D. Schotten
Lehrstuhl Funkkommunikation und Navigation an der RPTU Kaiserslautern Landau
Noch warten wir auf den Durchbruch
Die Digitalisierung – vor allem im Kontext des rasanten Fortschritts der Künstlichen Intelligenz – treibt Innovationen in der Produktion voran. Selbstständig interagierende Digitale Zwillinge und das industrielle Metaverse sind Beispiele dafür. Roboter, Drohnen und XR-Technologien sind in der Industrie angekommen und benötigen drahtlose Vernetzung. 5G hat versprochen, diese zu liefern – doch noch warten wir auf den Durchbruch. Neben der Corona-Pandemie und Lieferkettenengpässen hat sich auch die Zusammenarbeit verschiedener Branchen, unterschiedliche Wertschöpfungsketten, Patentkulturen und Marktgrößen als Herausforderung erwiesen. Spezialisierte Mobilfunkchips für die Automatisierung wollte aufgrund zu kleiner Stückzahlen niemand liefern. Diese Probleme mussten zunächst verstanden und gelöst beziehungsweise umgangen werden. Jetzt entwickeln sich Lösungen – das Potenzial von 5G für die Automatisierung ist einfach zu verlockend. Vom Sprint sind wir in den Langlauf gewechselt. Manchmal bedarf es etwas Geduld, um das Potenzial der Technologiekonvergenz zu entfalten.
Bilder: Kontron, NTT Data, RPTU Kaiserslautern Landau, Vodafone und Weidmüller