In Klartext hat die Redaktion für Ausgabe 04/2025 Experten aus Industrie und Wissenschaft zum Thema „Safety und Security transdisziplinär“ befragt – für das Special „Safety und Security“. Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Mayr Antriebstechnik und der TÜV Rheinland haben Experten-Statements beigetragen, die hier nun auch online erscheinen.
Konstrukteure und Entwickler im Maschinen- und Anlagenbau setzen komplexe Safety- und Security-Konzepte um. Dabei müssen sie die Maschinenrichtlinie, den Cyber Resilience Act sowie weitere nationale und internationale Normen und Richtlinien berücksichtigen. Zwar bieten industrielle Sicherheitstechnik und IT-Security bewährte Lösungskonzepte, doch könnten auch Ansätze aus anderen Branchen hier wertvolle neue Impulse und Perspektiven liefern. Wie lassen sich Cyberresilienz und funktionale Sicherheit im Zusammenspiel von Mechatronik, Software und IT voranbringen? Welche Methoden und Werkzeuge sind übertragbar?
Zu dem Special Safety & Security haben folgende Experten Statements beigetragen:
- Jonas Stein, Sachgebietsleiter Industrial Security, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Sankt Augustin
- Dr.-Ing. Max Bauer, Forschung und Entwicklung bei Mayr Antriebstechnik, Mauerstetten
- Thomas Steffens, Regional Segment Manager für Funktionale Sicherheit und OT Cybersecurity sowie Leiter der Zertifizierstelle für Funktionale Sicherheit und OT Cybersecurity, TÜV Rheinland, Köln
Jonas Stein
Sachgebietsleiter Industrial Security, Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Sankt Augustin
Jeder Hersteller kann leicht ein Schwachstellenmanagement umsetzen
Die neue EU-Maschinenverordnung und der Cyber Resilience Act (CRA) regeln das Mindestmaß für Security an Maschinen neu und stärken Qualitätshersteller auf dem europäischen Markt. In der Konstruktion kann die klassische Risikoanalyse weiterhin angewendet werden. Wo technische Schutzmaßnahmen das Risiko senken, müssen sie vor Korrumpierung geschützt werden damit sie ihre Aufgabe auch erfüllen können. Wer sich heute schon mit den neuen Anforderungen befasst, kann von den Chancen profitieren. Eine wesentliche Neuerung, die jeder Hersteller leicht umsetzen kann, ist das Schwachstellenmanagement. Hersteller richten online einen standardisierten Notfallkontakt ein, damit sie leicht erreicht werden können, wenn ihnen eine Schwachstelle gemeldet werden soll. Zur klassischen Materialliste (BOM) kommt dann noch eine sogenannte Software Bill of Material (SBOM) hinzu, in der Softwarekomponenten erfasst werden. Während früher zeitintensiv in umfangreichen Listen nach Warnmeldungen zu Schwachstellen gesucht werden musste, erstellen moderne Tools damit eine automatisierte Übersicht. Ein häufiger Fehler besteht darin, immense Ressourcen dafür zu verschwenden, Täterprofile künftiger Angreifer zu erstellen. Wer stattdessen jetzt in die Verbesserung der Produkte und ein gutes Schwachstellenmanagement investiert, wird einen wertvollen Vorsprung einfahren.
Dr.-Ing. Max Bauer
Forschung und Entwicklung bei Mayr Antriebstechnik, Mauerstetten
Künstliche Intelligenz kann die Entwicklung adaptiver Schutzmaßnahmen unterstützen
Konstrukteure im Maschinenbau können von Sicherheitsmethoden aus Branchen wie Bühnentechnik, Freizeitparks oder Aufzugtechnik profitieren. Simulationsbasierte Tests, digitale Zwillinge und prädiktive Wartung ermöglichen realitätsnahe Risikoanalysen, frühzeitige Fehlererkennung und eine höhere Anlagenverfügbarkeit. Interdisziplinäre Safety-Reviews und Hardware-in-the-Loop-Tests, wie sie in anderen Branchen etabliert sind, fördern robuste und praxisnahe Sicherheitslösungen. Für die Zukunft gewinnt Künstliche Intelligenz weiter an Bedeutung: Sie ermöglicht die automatisierte Auswertung großer Datenmengen, erkennt Sicherheitsrisiken in Echtzeit und unterstützt die Entwicklung adaptiver Schutzmaßnahmen – ein entscheidender Fortschritt, um die wachsende Komplexität moderner Maschinen sicher zu beherrschen. Meines Erachtens bietet der Maschinenbau kundenspezifisch derzeit bereits vielfältige Möglichkeiten über Standard-Sicherheitsbestimmungen hinaus. So stellt Mayr Antriebstechnik mit einem ganzheitlichen Blick, auch über Branchengrenzen hinweg sicher, dass innovative Sicherheitskonzepte weiterentwickelt werden, von denen alle Beteiligten nachhaltig profitieren.
Thomas Steffens
Regional Segment Manager für Funktionale Sicherheit und OT Cybersecurity sowie Leiter der Zertifizierstelle für Funktionale Sicherheit und OT Cybersecurity, TÜV Rheinland, Köln
Die Simulation von Notfallszenarien kann die Sicherheit in der Produktion erhöhen
Für die Sicherheit von Maschinen und automatisierten Produktionslinien liefern innovative Ansätze aus Branchen wie Automotive, Bühnentechnik oder medizinischer Robotik neue Impulse. Beispiel Bühnentechnik: Hier werden komplexe Hebetechniken mit präzisen Steuerungssystemen gesichert, um das Risiko von Unfällen zu minimieren – eine Herangehensweise, mit der man auch im Maschinenbau Sicherheitskonzepte verbessern könnte. Darüber hinaus können Methoden aus der Medizinrobotik wie die Simulation von Notfallszenarien die Sicherheit in der Produktion erhöhen. Das hochautomatisierte Fahren bietet ebenfalls interessante Ansätze. So beschäftigt sich der unterstützende Standard ISO 21448 mit technologiebedingten Einschränkungen bei hochkomplexen Sensorsystemen. Ähnliche Prinzipien könnten bei der Entwicklung von Werkzeugmaschinen angewandt werden. TÜV Rheinland unterstützt diese Entwicklungen mit seiner Expertise in Risikobewertung sowie Prüfung und Zertifizierung von sicherheitsrelevanten Systemen – immer mit dem Ziel, Sicherheitslösungen effizienter und zuverlässiger zu gestalten.
Bilder: Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), Mayr Antriebstechnik, TÜV Rheinland